Aktivitäten der US-Geheimdienste in Deutschland


Untersuchungsausschuss (NSA): Kanzleramt ohne Misstrauen gegen USA
Eine Diskussion über verdächtige Suchmerkmale, sogenannte "Selektoren", die dem BND von US-Seite übermittelt worden seien, habe es nach seiner Erinnerung im Kanzleramt nie gegeben, berichtete Klaus Dieter Fritsche

(20.07.15) - Der für die Nachrichtendienste zuständige Staatssekretär im Kanzleramt Klaus Dieter Fritsche hat der Vermutung widersprochen, dass die Bundesregierung bereits frühzeitig Kenntnis von verdächtigen Aktivitäten der US-Geheimdienste in Deutschland und Europa gehabt habe. Er selbst wisse erst seit März diesen Jahres, dass die National Security Agency (NSA) bei der gemeinsamen Überwachung des Fernmeldeverkehrs mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) Suchmerkmale eingespeist habe, die der Ausspähung europäischer Ziele dienten, betonte Fritsche bei seiner Befragung durch den 1. Untersuchungsausschuss ("NSA"). Fritsche war von 1996 bis 2005 Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und anschließend bis 2009 Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt. Dort ist er seit Januar 2014 erneut für die Geheimdienste zuständig.

Eine Diskussion über verdächtige Suchmerkmale, sogenannte "Selektoren", die dem BND von US-Seite übermittelt worden seien, habe es nach seiner Erinnerung im Kanzleramt nie gegeben, berichtete Fritsche. Auch für die Entscheidung des damaligen Kanzleramtschefs Thomas de Maizière Anfang 2008, dem Drängen der Amerikaner auf eine noch intensivere Zusammenarbeit bei der Überwachung des kabelgestützten Fernmeldeverkehrs nicht nachzugeben, sei Misstrauen nicht das entscheidende Motiv gewesen. Fritsche widersprach damit seinem damaligen Vorgänger als Geheimdienstkoordinator und späteren BND-Chef Ernst Uhrlau, der eine Woche zuvor ausgesagt hatte. Nach dessen Darstellung war das Kanzleramt in jenen Jahren "bösgläubig" gegenüber den Absichten der US-Geheimdienste. Dass de Maizière sich 2008 zu einer Ausweitung der Zusammenarbeit nicht bereit gefunden habe, "spricht Bände", hatte Uhrlau gesagt.

Gegenstand der Kooperation war das Projekt "Eikonal", mit dem BND und NSA zwischen 2004 und 2008 gemeinsam in Deutschland internationalen Datenverkehr über das Glasfasernetz der Telekom beobachtet hatten. Das Problem dabei sei gewesen, jene Teilnehmer herauszufiltern, die dem Schutz durch das deutsche Fernmeldegeheimnis unterlagen, berichtete Fritsche. Dazu habe es einer zeitraubenden und aufwendigen Prozedur bedurft. Ende 2007 hätten die Amerikaner dann angeregt, die Zusammenarbeit auszuweiten. Das Kanzleramt habe entschieden, darauf nicht einzugehen.

Maßgeblich dafür waren nach Fritsches Darstellung "industriepolitische" Bedenken, die Befürchtung also, durch eine zu enge und weitgehende technische Kooperation mit US-Diensten eigene Fähigkeiten auf die Dauer einzubüßen und damit abhängig zu werden. Auch der Verdruss über die Schwierigkeiten, deutsche Grundrechtsträger zu identifizieren und von der Überwachung auszunehmen, habe eine Rolle gespielt. Nicht zuletzt habe auf deutscher Seite das Gefühl bestanden, dass die Zusammenarbeit nicht auf Augenhöhe erfolgte, der BND also keine Aussicht hatte, in den USA dieselben Rechte eingeräumt zu bekommen wie die NSA in Deutschland.

Fritsche widersprach Uhrlau noch in einem weiteren Punkt. Uhrlau hatte berichtet, kurz nach seinem Amtsantritt als BND-Chef Anfang 2006 habe ihn der damalige Abteilungsleiter Technische Überwachung beim BND, Dieter Urmann, über die Entdeckung verdächtiger Selektoren amerikanischer Herkunft in der Abhöranlage in Bad Aibling informiert. Er habe in den regelmäßigen Gesprächen mit seinem Nachfolger im Kanzleramt Fritsche dieses Thema gewiss nicht unerwähnt gelassen. Fritsche bestreitet, von Uhrlau damals in Kenntnis gesetzt worden zu sein, Er hätte in einem solchen Fall mit Sicherheit einen schriftlichen Bericht angefordert, sagte er dem Untersuchungsausschuss. Ein solches Dokument liege nicht vor. (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Herstellung der Öffentlichkeit

    Der Petitionsausschuss setzt sich für den barrierefreien Zugang zu Versicherten- und Patientenrechten ein. In der Sitzung überwiesen die Abgeordneten eine Petition, in der beklagt wird, dass Sitzungstermine von Verwaltungsräten von Krankenkassen nicht öffentlich bekanntgegeben werden, mit dem zweithöchsten Votum "zur Erwägung" an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) "soweit es darum geht, Versicherten- und Patientenrechte barrierefrei zugänglich zu machen".

  • Kartellamt in Krisenlagen anpassungsfähig

    Die deutsche Wirtschaft hat sich nach Einschätzung der Bundesregierung in Krisenlagen als anpassungsfähig erwiesen. Die Corona-Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hätten sich spürbar auf die Wirtschaft in Deutschland ausgewirkt, berichtet die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Tätigkeitsbericht des Bundeskartellamtes 2021/2022, wie aus einer Unterrichtung der Bundesregierung hervorgeht.

  • EU-Einwegkunststoffrichtlinie umgesetzt

    Die Bundesregierung hat eine Verordnung über die Abgabesätze und das Punktesystem des Einwegkunststofffonds vorgelegt. Damit soll die Höhe für die von Herstellern zu zahlende Einwegkunststoffabgabe, zum anderen das Punktesystem die Auszahlung der Mittel aus dem Fonds an die Kommunen als die öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger verbindlich festgelegt werden.

  • Strengere Grenzwerte für Luftschadstoffe

    Strengere Grenzwerte für Luftschadstoffe, darauf zielt eine Verordnung (20/8106) der Bundesregierung zur Änderung zweier bestehender Verordnungen: der Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen (17. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes -17. BImSchV) und der Chemikalien-Verbotsverordnung (ChemVerbotsV).

  • Bundesregierung sieht administrative Überkontrolle

    Die Bundesregierung beurteilt eine Kleine Anfrage (20/7819) der Fraktion Die Linke angesichts von 50 Einzelfragen zur Personalentwicklung im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie der nachgeordneten Behörden über einen Zeitraum von 18 Jahren teilweise als ein Überschreiten der Parlamentarischen Kontrolle.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen