Abbau von Zollschranken


Fachgespräch zu CETA und TTIP
Alternativen beim Investorenschutz wie Versicherungslösungen und Streitschlichtungsverfahren "von Staat zu Staat"

(29.10.14) - Das geplante Freihandelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) und das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) stoßen bei Experten auf ein geteiltes Echo. Insbesondere Fragen zum Investorenschutz und zu den Ratifikationsverfahren fanden in einem Fachgespräch im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union unterschiedliche Bewertung.

Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln bezeichnete die im Freihandel verkörperte Offenheit als "bevorzugtes Konzept zur Schaffung von Wohlstand". Neben ökonomischen Vorteilen und der Möglichkeit, Standards im Welthandel zu setzen, wäre ein solch "transatlantischer Schulterschluss" auch ein wichtiges Zeichen für die Handlungsfähigkeit und den Gestaltungswillen der EU. Auch Jan von Herff vom Chemiekonzern BASF sprach von einem "positiven geostrategischen Effekt". Die Abkommen böten die Möglichkeit der Regelsetzung weit über die jeweils eigenen Wirtschaftsräume der beteiligten Partner hinaus.

Im Anspruch globaler Setzung von Standards sah hingegen die Juristin Isabel Feichtner (Goethe-Universität Frankfurt) eine "völkerrechtlich kritisch" zu bewertende Abkehr vom Prinzip des Multilateralismus. Es bestehe etwa die Gefahr, dass die Welthandelsorganisation WTO ihre Rolle als Forum zur Regelung des Welthandels verliere.

Der Jurist Franz C. Mayer (Universität Bielefeld) nannte CETA und TTIP "umfassende Freihandels- und Investitionsschutzabkommen neuen Typs", die weit über den Abbau von Zollschranken hinaus in den "Welthandel ausstrahlen" würden. Die bisherige Rechtsprechung in diesem Bereich sei deshalb nur unter Vorbehalt übertragbar. Als wichtigste Streitpunkte benannte Mayer die Frage der geplanten Schiedsgerichtsverfahren sowie die Ratifikation der Abkommen innerhalb der EU. Während etwa die EU-Kommission CETA als "EU-only-Abkommen" werte, sähen Mitgliedstaaten darin jeweils national zustimmungspflichtige "gemischte Abkommen".

Ein Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums stellte klar, dass die Bundesregierung auf die Definition als "gemischte Abkommen" – und damit auf die Ratifikation durch die einzelnen EU-Mitgliedstaaten – dränge. Die EU-Kommission habe das Vorschlagsrecht, aber es liege "in der Hand des EU-Ministerrates die Definition festzulegen".

IW-Volkswirt Jürgen Matthes brachte angesichts eines zu erwartenden mehrjährigen Ratifikationsprozesses Vorschläge ins Spiel, jene Teile aus den Abkommen, die national zustimmungspflichtig sind, auszukoppeln und die anderen Teile vorläufig anzuwenden. Er machte sich zudem für die umstrittenen Schiedsgerichtsverfahren stark: Fehlten diese, seien bei möglichen Freihandelsverhandlungen mit China solche Regelungen, die dann im erst Recht im Interesse der EU lägen, "einfach nicht argumentierbar".

Isabel Feichtner betonte, dass es Alternativen beim Investorenschutz gebe: Dazu zählten etwa Versicherungslösungen und Streitschlichtungsverfahren "von Staat zu Staat". Auch Franz C. Mayer konstatierte ein "Unbehagen", mit den Schiedsverfahren eine durch die Öffentlichkeit nicht kontrollierte "Paralleljustiz" einzuführen. Zweifelsohne seien in solchen Schiedsverfahren Konflikte schnell und in einem vertraulichen Rahmen beizulegen. Wirklich überzeugend seien solche Verfahren aus seiner Sicht nur bei einem "großen rechtsstaatlichen Gefälle" zwischen den Verhandlungspartnern. Dieses sei im Falle CETA und TTIP nicht erkennbar, sagte Mayer. Vorstellbar sei es, die Schiedsgerichtsverfahren zeitlich begrenzt einzuführen, um ihre Auswirkungen nach Ablauf einer Frist zu überprüfen. (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Bürokratie auf Bundesebene

    Zum Stichtag 24. Mai 2024 sind auf Bundesebene 1.797 Gesetze mit 52.401 Einzelnormen sowie 2.866 Rechtsverordnungen mit 44.475 Einzelnormen gültig gewesen. Das führt die Bundesregierung in einer Antwort (20/11746) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/11510) zu "Maßnahmen zur Reduzierung von Bürokratie auf Bundesebene" aus. Bezogen auf die Zahl der Gesetze beziehungsweise Rechtsverordnungen ist das jeweils der Höchstwert seit 2010.

  • Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz

    Der Rechtsausschuss hat sich in einer öffentlichen Anhörung mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines "Gesetzes zur Bekämpfung missbräuchlicher Ersteigerungen von Schrottimmobilien" (20/11308) befasst. Das Echo der geladenen Expertinnen und Experten zum Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz fiel dabei sehr unterschiedlich aus.

  • Finanzierung des EEG-Kontos

    Um erneuerbare Energien zu fördern, werden Betreibern von Photovoltaik- und Windanlagen Preise garantiert. Der paradoxe Effekt in der gegenwärtigen Situation: Die Strompreise an der Börse sinken, was gut für den Verbraucher ist.

  • Bekämpfung von Finanzkriminalität

    Geldwäsche soll in Deutschland besser bekämpft werden. Das ist das Ziel des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (20/9648) zur Verbesserung der Bekämpfung von Finanzkriminalität (Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz, FKBG), das der Finanzausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU- und der AfD-Fraktion sowie der Gruppe Die Linke verabschiedet hat.

  • Innovative Ansätze in der Datenpolitik nötig

    Mit den Rahmenbedingungen für eine innovative Datenpolitik, also Datenaustausch und -nutzung sowie Datenschutz, hat sich der Digitalausschuss in einer öffentlichen Anhörung befasst. Die Sachverständigen bewerteten auch die nationalen Spielräume bei der Umsetzung des europäischen Data Acts, des Data Governance Acts aber auch der KI-Verordnung.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen