Finanztransaktionssteuer heftig umstritten


Finanztransaktionssteuer wichtiges Instrument zur Eindämmung der Spekulation?
Attac: "Einige Gegner der Steuer halten hartnäckig an dem Argument fest, die Steuer würde den Kleinsparer treffen. Ebenso hartnäckig muss die Einwand zurückgewiesen werden"


(07.12.11) - Wirtschaftsverbände, Börsen und Banken sehen eine Finanztransaktionssteuer äußerst kritisch oder lehnen sie sogar strikt ab. In einer Anhörung des Finanzausschusses sagte der Sachverständige Professor Volker Wieland (House of Finance): "Die beste Idee ist ein Steuersatz von Null." Dagegen wird diese Steuer, die auf den Handel von Wertpapieren aller Art erhoben werden könnte, von Nichtregierungsorganisationen und Teilen der Wissenschaft als wichtiges Instrument zur Eindämmung der Spekulation angesehen.

In der Anhörung ging es um einen Antrag der SPD-Fraktion (17/6086), die die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer fordert. Erfasst werden sollen alle börslichen und außerbörslichen Transaktionen von Wertpapieren, Anleihen und Derivaten mit einem Steuersatz von 0,05 Prozent. Außerdem waren der Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie zur Finanztransaktionssteuer und das deutsch-französische Positionspapier zu dieser Steuer Gegenstand der Anhörung. Die SPD-Fraktion begründet ihren Antrag mit dem Hinweis, der Finanzsektor leiste keinen seiner Bedeutung entsprechenden Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens, und die Steuer könne der Spekulation entgegenwirken.

Die Deutsche Kreditwirtschaft, der Zusammenschluss der Bankenverbände, lehnte diesen Beitrag jedoch ab und befürchtete negative Auswirkungen auf die Konjunktur. Selbst die EU-Kommission erwarte bei einer EU-weiten Steuer von 0,1 Prozent auf Aktien (0,01 Prozent auf Derivate) eine Einbuße des Bruttoinlandsprodukts von 1,76 Prozent. Die Finanztransaktionssteuer treffe nicht nur die Finanzinstitute, sondern alle Erwerber von Finanzprodukten, darunter auch Kleinsparer. Ähnlich äußerten sich die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft in einer gemeinsamen Stellungnahme. Danach würden auch die Unternehmen belastet, die Liefergeschäfte gegen Zins- und Währungsrisiken durch Derivate absichern würden. Der Vertreter des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) sagte auf die Frage, wer das von der EU geschätzte Steueraufkommen von 57 Milliarden Euro zu tragen habe: "Das werden Bürger und Realwirtschaft sein." Der Bundesverband Investment und Asset Management erklärte: "Die Belastung hätten vor allem Langfrist- und Altersvorsorgesparer zu tragen."

Professor Franz Mayer (Universität Bielefeld) sah in der Vereinbarkeit der Finanztransaktionssteuer mit dem Binnenmarkt keine Probleme: "Unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit der vorgesehenen Gesetzgebung bestehen auch gegen die Höhe der avisierten Steuer keine Bedenken, auch nicht unter grundrechtlichen Aspekten", erklärte er zum Vorschlag der EU-Kommission.

Stephan Schulmeister (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung) befürwortete ebenfalls die Steuer, die auf den Märkten dafür sorgen könne, "dass extreme Ausschläge schwächer werden". Ein Allheilmittel sei die neue Steuer aber nicht. Schulmeister hielt die stark gestiegenen Zinssätze für eine Folge der zunehmenden Spekulation.

Professor Gustav Horn (Hans-Böckler-Stiftung) widersprach der Darstellung mehrerer Wirtschaftsvertreter, wonach die EU-Kommission bei Einführung der Steuer eine Rezession erwarte. Das habe die Kommission nie gesagt, erklärte Horn.

"Einige Gegner der Steuer halten hartnäckig an dem Argument fest, die Steuer würde den Kleinsparer treffen. Ebenso hartnäckig muss die Einwand zurückgewiesen werden", erklärte Detlev von Larcher von Attac. Durch die niedrigen Steuersätze sei die Steuer bei einzelnen Transaktionen kaum spürbar und "im Vergleich mit den gleichzeitig anfallenden Gebühren vernachlässigbar".

Auch der von der Deutschen Börse und der Börse Stuttgart in Stellungnahmen befürchtete Umsatzverlust an außereuropäische Handelsplätze ist nach Ansicht von Attac "maßlos überzeichnet", da jede Transaktion einer Institution oder Person mit Sitz in der EU steuerpflichtig wäre, auch wenn der Handel an einer Börse außerhalb des EU-Gebiets stattfindet (Ansässigkeitsprinzip). Zur Steuervermeidung wäre die Verlegung des Wohn- oder Geschäftssitzes notwendig.

Der Börsenmakler Dirk Müller erklärte, es gebe zu viel Spekulation. Behauptungen, Derivate würden der Kursabsicherung dienen, bezeichnete er als "Augenwischerei". Das gelte nur für einen ganz kleinen Teil des Handels. Privatanleger und Versicherungen würden wegen der starken Kursschwankungen den Aktienmarkt verlassen. Dann könnten sich die Unternehmen nur sehr schwer Kapital besorgen. Müller sprach sich für die Transaktionssteuer aus: "Von 0,05 Prozent geht die Welt nicht unter." (Deutscher Bundestag: ra)


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • Bürokratie auf Bundesebene

    Zum Stichtag 24. Mai 2024 sind auf Bundesebene 1.797 Gesetze mit 52.401 Einzelnormen sowie 2.866 Rechtsverordnungen mit 44.475 Einzelnormen gültig gewesen. Das führt die Bundesregierung in einer Antwort (20/11746) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/11510) zu "Maßnahmen zur Reduzierung von Bürokratie auf Bundesebene" aus. Bezogen auf die Zahl der Gesetze beziehungsweise Rechtsverordnungen ist das jeweils der Höchstwert seit 2010.

  • Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz

    Der Rechtsausschuss hat sich in einer öffentlichen Anhörung mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines "Gesetzes zur Bekämpfung missbräuchlicher Ersteigerungen von Schrottimmobilien" (20/11308) befasst. Das Echo der geladenen Expertinnen und Experten zum Schrottimmobilien-Missbrauchsbekämpfungsgesetz fiel dabei sehr unterschiedlich aus.

  • Finanzierung des EEG-Kontos

    Um erneuerbare Energien zu fördern, werden Betreibern von Photovoltaik- und Windanlagen Preise garantiert. Der paradoxe Effekt in der gegenwärtigen Situation: Die Strompreise an der Börse sinken, was gut für den Verbraucher ist.

  • Bekämpfung von Finanzkriminalität

    Geldwäsche soll in Deutschland besser bekämpft werden. Das ist das Ziel des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (20/9648) zur Verbesserung der Bekämpfung von Finanzkriminalität (Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz, FKBG), das der Finanzausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU- und der AfD-Fraktion sowie der Gruppe Die Linke verabschiedet hat.

  • Innovative Ansätze in der Datenpolitik nötig

    Mit den Rahmenbedingungen für eine innovative Datenpolitik, also Datenaustausch und -nutzung sowie Datenschutz, hat sich der Digitalausschuss in einer öffentlichen Anhörung befasst. Die Sachverständigen bewerteten auch die nationalen Spielräume bei der Umsetzung des europäischen Data Acts, des Data Governance Acts aber auch der KI-Verordnung.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen