Gefahr für Steuerabkommen


Besteuerung von Auslandseinkünften: Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen
Mit einem Gesetz soll erreicht werden, dass international tätige Konzerne nicht mehr so einfach durch Ausnutzung nationaler Steuersysteme ihre Steuerlast senken können



Die Pläne der Deutschen Bundesregierung zur besseren Erfassung von im Ausland steuerfrei oder gering besteuerter Einkünfte sind bei einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses bei den meisten Sachverständigen auf starke Kritik gestoßen. "Die vorgesehenen Änderungen und Ergänzungen können im anderen Vertragsstaat angelegte Investitionsanreize für ausländische Unternehmen ins Leere laufen lassen", warnte zum Beispiel Arne Schnitger von PricewaterhouseCoopers in der Anhörung. Auch andere Sachverständige zeigten sich unzufrieden mit dieser sowie mit weiteren Bestimmungen in dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen (18/9536, 18/9956).

Mit dem Gesetz soll erreicht werden, dass international tätige Konzerne nicht mehr so einfach durch Ausnutzung nationaler Steuersysteme ihre Steuerlast senken können. Multinationale Unternehmen sollen Auskünfte über ihre Verrechnungspreise für Geschäftsvorfälle mit verbundenen Unternehmen geben müssen. Außerdem ging es in der Anhörung um zwei Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/2617, 18/9043) und um einen Änderungsantrag der Fraktion zu dem Gesetzentwurf. Die Fraktion fordert mehr Transparenz und das Schließen von Steuerschlupflöchern, um Gewinnverlagerungen internationaler Konzerne zu vermeiden.

Markus Henn (Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung) begrüßte die Einführung der besseren Dokumentation und Berichterstattung zu Verrechnungspreisen und die neuen länderbezogenen Berichte. Auch Thomas Eigenthaler (Deutsche Steuer-Gewerkschaft) bewertete die "Country-by-Country-Reports" und weitere Maßnahmen wie Informationsaustausch und Verrechnungspreise positiv. Sie dienten dazu, Steuerflucht über die Grenze wirksam zu bekämpfen, zwischen den Unternehmen faire Wettbewerbsbedingungen zu sichern sowie einen "ruinösen und milliardenschweren Steuerwettbewerb zwischen den Staaten zu verhindern".

Ähnlich äußerte sich Marcus Spahn vom nordrhein-westfälischen Finanzministerium. Gegen eine Veröffentlichungspflicht von Länderreporten der Konzerne wandten sich hingegen die Spitzenverbände der Wirtschaft in einer gemeinsamen Stellungnahme. Auch Reimar Pinkernell (Flick Gocke Schaumburg) sagte, im System der Verrechnungspreise würden Daten erhoben, die weder geeignet noch erforderlich seien und nicht der Anwendung der Steuergesetze dienen würden. Dieser massive Eingriff in das Steuergeheimnis sei nicht gerechtfertigt worden.

Schnitger von PricewaterhouseCoopers erklärte zur Besteuerung von Auslandseinkünften, in Zukunft werde beispielsweise eine von einem deutschen Unternehmen steuerfrei im Ausland in Anspruch genommene Investitionszulage in Deutschland versteuert werden müssen. Die Steuerfreiheit der Investitionszulage und die wirtschaftspolitische Maßnahmen des anderen Vertragsstaates würden damit ins Leere laufen. Der Bundesverband der deutschen Industrie beklagte, das deutsche Außensteuergesetz werde "zum Maßstab aller Dinge" gemacht, was zu Problemen mit anderen Ländern führen werde. "Der Rückfall des Besteuerungsrechts konterkariert auch steuerliche Lenkungsnormen des anderen Vertragsstaates, mit denen er zum Beispiel ökologisch sinnvolle Investitionen fördern will", stellte auch Pinkernell fest.

Grundsätzlicher argumentierte des Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) in seiner Stellungnahme zum Themenkomplex der Verrechnungspreise: "Schon die Einführung einer solchen Vorschrift sei geeignet, "nachhaltig das Vertrauen auf eine verlässliche Abkommenspolitik Deutschlands im wichtigen Bereich der Verrechnungspreise zu untergraben. Die vorgeschlagene Regelung widerspricht ferner dem anerkannten Rechtsgrundsatz "pacta sunt servanda" (Verträge sind einzuhalten)", warnte das IDW, das Kündigungen von Doppelbesteuerungsabkommen durch andere Vertragsstaaten befürchtet. Wie die Spitzenverbände der Wirtschaft rechnet auch die Bundessteuerberaterkammer durch diese und andere Vorschriften mit steigende Steuern für im Ausland tätige deutsche Unternehmen.

Professor Guido Förster (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) warnte davor, die deutsche Gewerbesteuerpflicht auf niedrig besteuerte ausländische Einkünfte auszudehnen. Dies sei ein Verstoß gegen das für das Gewerbesteuergesetz geltende Territorialitätsprinzip. Professor Wolfram Scheffler (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) nahm grundsätzlich zu dem Themenkomplex Stellung: Das deutsche Unternehmenssteuerrecht funktioniere gut bei geschlossenen Grenzen, aber bei offenen Grenzen stoße das System "auf eine Welt, die anders tickt". Reparaturversuche könnten zu Verletzungen internationaler Verträge führen, warnte auch Scheffler.

Dagegen unterstützte Professor Lorenz Jarass (Hochschule RheinMain, University of Applied Sciences) die von anderen Sachverständigen kritisierten Regelungen, mit denen zum Teil auf Entscheidungen des Bundesfinanzhofes (BFH) reagiert wird: "Wenn nämlich, wie in diesem Fall die BFH-Rechtsprechung zu Regelungen führt, die dem vom Gesetzgeber gewollten Ergebnis widersprechen, so ist der Gesetzgeber gehalten, die Gesetze entsprechend anzupassen." Torsten Falk (Hessisches Ministerium der Finanzen) und sein nordrhein-westfälische Kollege Spahn sahen dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf, da es viele Fälle gebe, in denen versucht werde, Betriebsausgaben doppelt geltend zu machen.

Als völlig unverständlich und nicht nachvollziehbar bezeichnete Werner Thumbs (Boehringer Ingelheim) die in dem Gesetzentwurf dargestellten Kosten für die Unternehmen, die laut Bundesregierung 536.000 Euro betragen sollen. Schätzungen von betroffenen Unternehmen hätten einen einmaligen Umstellungsaufwand von 25 Millionen Euro und laufende jährliche Kosten von zehn bis 25 Millionen Euro ergeben. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 28.10.16
Home & Newsletterlauf: 10.11.16


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