Sanktionssystem auf dem Prüfstand


Arbeitslosengeld II (ALG II): Eine bessere Beratungspraxis würde das Sanktionssystem sogar überflüssig machen
Eine vollkommene Abschaffung sei "schwierig", wenn man ein System aufrechterhalten wolle, das auf Pflichtverletzungen reagieren will



Das Sanktionssystem beim Arbeitslosengeld II (ALG II) sollte überarbeitet werden. Auf diesen Minimalkonsens lassen sich die Expertenäußerungen einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am reduzieren. Von diesem ausgehend, bewegten sich die Vorschläge jedoch von einer stärkeren Flexibilisierung des Systems bis hin zu seiner kompletten Abschaffung. Die Kritik an den oft standardisierten Eingliederungsvereinbarungen zwischen Jobcenter und Arbeitslosen kam von fast allen Seiten, ebenso wie die Forderung nach einer besseren Vermittlungstätigkeit durch die Jobcenter.

Gegenstand der Anhörung waren zwei Anträge der Fraktionen Die Linke (19/103) und von Bündnis 90/Die Grünen (19/1711). Beide Fraktionen fordern, Sanktionen im ALG-II-System und Leistungseinschränkungen bei der Sozialhilfe abzuschaffen und die Beratung der ALG-II-Beziehenden zu verbessern.

Grundsätzlich positiv bewerteten die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), der Zentralverband des Deutschen Handwerks, der Deutsche Landkreistag und die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft das Sanktionssystem. So betonte Jan Dannenbring vom Zentralverband des Deutschen Handwerks, das Prinzip des Förderns und Forderns habe noch immer Gültigkeit und Sanktionen seien unentbehrlich, um eine schnelle Integration der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu erreichen. Markus Mempel vom Landkreistag nannte sie ebenfalls ein "wichtiges Hilfsmittel", ohne das viele Leistungsberechtigte nicht erreicht würden.

Eine vollkommene Abschaffung sei "schwierig", wenn man ein System aufrechterhalten wolle, das auf Pflichtverletzungen reagieren will, sagte Joachim Wolff vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Er verwies zugleich darauf, dass ein vereinfachtes Sanktionsrecht auch dadurch erreicht werden könne, dass man die verschärften Sonderregeln für unter 25-Jährige abschafft. Diesem Gedanken stimmte auch Markus Mempel zu. Er betonte darüber hinaus, dass die Jobcenter unbedingt mehr Kapazitäten bräuchten, um sich auf ihre Vermittlungsaufgabe zu konzentrieren. Jan Dannenbring kritisierte, dass es nicht sein könne, dass Leistungsbescheide mit bis zu 100 Seiten verschickt würden. Die Vermittler müssten dringend von bürokratischen Lasten befreit werden, forderte er.

Deutliche Kritik an den Sanktionen kam dagegen unter anderem vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und vom Deutschen Caritasverband. Eine bessere Beratungspraxis würde das Sanktionssystem sogar überflüssig machen, prognostizierte deren Vertreterin Birgit Fix. Derzeit würden die Eingliederungsvereinbarungen häufig mit standardisiertem Muster verschickt. Wichtig sei aber, dass diese wirklich "gemeinsam vereinbart" werde. Doch dafür reichten die Kapazitäten der Jobcenter derzeit nicht aus, so Fix. Martin Künkler vom DGB kritisierte: "Die Eingliederungsvereinbarungen werden den Leistungsempfängern oft einseitig aufoktroyiert. Nötig ist aber eine Vereinbarung auf Augenhöhe."

Rahel Schwarz betonte für den Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge, dass gesonderte Regeln für unter 25-Jährige gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verstoßen und nicht zu deren besseren Integration in den Arbeitsmarkt beitragen. Das Gegenteil sei der Fall, viele Jugendliche würden dadurch den Kontakt zum Jobcenter komplett verweigern. Für den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband bezeichnete Tina Hofmann die Sanktionen als "unverhältnismäßiges Regelwerk". Es gebe bessere Alternativen, um eine Kooperation zu erreichen, betonte sie ebenso wie Expertin Birgit Fix. (Deutscher Bundestag: ra)

eingetragen: 09.07.18
Newsletterlauf: 13.08.18



Meldungen: Bundestag, Bundesregierung, Bundesrat

  • AfD will Gebäudeenergiegesetz abschaffen

    Die AfD-Fraktion will das Gebäudeenergiegesetz (GEG) abschaffen und verlangt in einem Antrag (21/227) außerdem, auf die CO2-Bepreisung von Heizöl und Gas zu verzichten. Die entsprechenden Vorschriften sollen "schnellstmöglich, vollständig und ersatzlos" gestrichen werden. Zudem soll die Umsetzung aller entsprechenden EU Verordnungen und Richtlinien (etwa der sogenannte Green Deal der EU) sowie damit verbundene Regulierungen wie der CO2-Grenzausgleich sofort beendet werden.

  • Änderung der Verordnung (EU) 2017/625

    Die Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen drängt auf eine verpflichtende Produktkennzeichnung für Lebensmittel, die genomisch verändert wurden. Anlass ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, die im Juli 2023 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über mit genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel vorgelegt hat.

  • Steuerhinterziehung & Cum-Cum

    Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in einem Antrag (21/226), organisierte Steuerhinterziehung wie die sogenannten Cum-Cum-Deals aufzuklären und die Steuermilliarden konsequent zurückzufordern. Dazu sollen die Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängert werden. Der Antrag steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

  • Ausschuss gegen Cum-Cum-Antrag der Grünen

    Der Finanzausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD einen Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Organisierte Steuerhinterziehung wie Cum-Cum-Deals aufklären, Steuermilliarden konsequent zurückfordern und Aufbewahrungsfristen für Belege bei Finanzinstitutionen verlängern" (21/226) abgelehnt. Für den Antrag stimmten neben der Antragstellerin die Fraktionen der AfD und Die Linke.

  • Versorgungslage signifikant verbessert

    Die Inbetriebnahme des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entwickelten Frühwarnsystems bei Arzneimittel-Lieferengpässen in einer funktionsfähigen Basisversion ist nach Angaben der Bundesregierung für das vierte Quartal 2025 vorgesehen. Der Aufbau des Frühwarnsystems habe insbesondere bei der Beobachtung und Bewertung der Versorgung mit antibiotikahaltigen Arzneimitteln für Kinder unterstützende Daten geliefert, heißt es in der Antwort (21/338) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (21/171) der AfD-Fraktion.

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen