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Entwurf für ein neues BKA-Gesetz beschlossen


Neues Gesetz erlaubt dem BKA Videoüberwachungen von Wohnungen und das Abhören von Telefonen - Auch Online-Durchsuchungen von Computern sind möglich
Innere Sicherheit: Schaar fordert datenschutzrechtliche Nachbesserungen beim BKA-Gesetz - Bayerns Innenminister Herrmann wirft Bundesjustizministerin Zypries Hinhaltetaktik bei Online-Datenerhebung vor


(05.06.08) - Das Bundeskriminalamt (BKA) erhält neue Kompetenzen, um den internationalen Terrorismus besser bekämpfen zu könenn. Das Bundeskabinett beschloss den Entwurf für ein neues BKA-Gesetz. "Es ist ein wichtiger Baustein in der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland", glaubt Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble.

Mit dem Gesetz sollen dem BKA neben den polizeilichen Standardmaßnahmen, wie z.B. erkennungsdienstliche Behandlung, Befragung, Platzverweis die folgenden präventiven Befugnisse erteilt werden, die mit weit reichenden Eingriffen in Grundrechte verbunden sind:
>> Akustische und optische Wohnraumüberwachung (Videoüberwachungen)
>> Telekommunikationsüberwachung (Abhören von Telefon)
>> heimlicher Zugriff auf informationstechnische Systeme (sog. Online-Durchsuchung von Computern)
>> Rasterfahndung
Der Gesetzgeber habe dafür Sorge zu tragen, dass diese Maßnahmen nur als ultima ratio zur Anwendung gelangen, fordert Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar:

Internationaler Terrorismus ist Sache des BKA
Die polizeiliche Gefahrenabwehr ist bislang ausschließlich Sache der Länder. Der Gesetzgeber hatte im Zuge der Föderalismusreform dem BKA allerdings erstmals die Aufgabe übertragen, die Gefahren des internationalen Terrorismus abzuwehren. "Der Entwurf gibt dem BKA dazu das notwendige Rüstzeug an die Hand", sagt der Minister. Dabei wird den Ländern nichts an ihrer Zuständigkeit weggenommen.

Für den nun vorliegenden Gesetzesentwurf "haben wir in die bereits bestehenden Gesetze der Länder geguckt", so der Innenminister. Die Befugnisse im BKA-Gesetz orientieren sich daher weitgehend an den Vorbildern der Polizeigesetze der Länder.

Online-Durchsuchung in engen Grenzen möglich
Neu und besonders hervorzuheben ist die Befugnis zur so genannten Online-Durchsuchung. Dem BKA soll gestattet werden, unter sehr eng umrissenen Voraussetzungen Daten aus informationstechnischen Systemen zu erheben. Dazu muss der Präsident des BKA oder sein Stellvertreter einen Antrag stellen, der vom Gericht geprüft wird. Wird dem Antrag stattgegeben, dann sichten zwei Beamte - von denen einer Richter ist - die Daten. Sofern der Kernbereich des Persönlichkeitsrechts betroffen ist, werden die Daten von einem Richter gelöscht und können nicht weiter verwertet werden.

"Nachdem das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass eine solche Maßnahme mit den Vorgaben der Verfassung im Einklang steht, ist gewährleistet, dass das Bundeskriminalamt Schritt halten kann mit der Nutzung modernster Informationstechnologien durch Terroristen. Ich halte dies für einen wesentlichen Fortschritt", so Schäuble.

"Unser freiheitlich verfasster Rechtsstatt nimmt den Schutz der Grundrechte ungeheuerlich wichtig", betonte er. Dazu müssten aber die Sicherheitsorgane auch in die Lage versetzt werden, diese Grundrechte zu schützen. Der nun vorliegende Entwurf sei dazu "notwendig und auch angemessen". Er wird jetzt im Bundestag und im Bundesrat beraten.

Peter Schaar übt Kritik
Zur Verabschiedung des Entwurfs eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt in der heutigen Kabinettsitzung erklärt der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar:

"Die heute im Kabinett beschlossene Gesetzesnovelle zum BKA-Gesetz, mit der das Bundeskriminalamt umfassende präventiv-polizeiliche Befugnisse erhalten soll, begegnet erheblichen datenschutzrechtlichen Bedenken. Ich werde mich bei der Beratung des Gesetzes im Deutschen Bundestag für entsprechende Nachbesserungen einsetzen.

Obwohl das BKA im Hinblick auf die weiterhin bestehende Zuständigkeit der Länder bei der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus wohl nur in wenigen Fällen selbst in diesem Aufgabenbereich tätig sein wird, soll es mehr Befugnisse erhalten, als den einzelnen Landespolizeien zur Erfüllung ihrer eigenen Gefahrenabwehraufgaben zustehen. Ich habe deshalb Zweifel, ob die Einräumung so weitgehender Befugnisse dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt. Für unzureichend halte ich auch die vorgesehenen Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei heimlichen Eingriffsmaßnahmen."


Herrmann greift Bundesjustizministerin Brigitte Zypries an
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat Bundesjustizministerin Brigitte Zypries eine unverantwortliche Hinhaltetaktik bei der Online-Durchsuchung vorgeworfen. Herrmann sagte bei einem Vortrag in der Hanns-Seidel-Stiftung zur Lage der Inneren Sicherheit:

"Wir brauchen die Online-Datenerhebung jetzt rasch auch auf Bundesebene. Es geht nicht, wenn Frau Zypries vor einigen Wochen einer gesetzlichen Regelung der Online-Datenerhebung für das Bundeskriminalamt zugestimmt hat und jetzt mit immer neuen Einwendungen das Gesetz verzögern und verwässern will. Auch die Online-Datenerhebung durch das Bundeskriminalamt wird auf ganz wenige Fälle im Jahr begrenzt sein. Um die Online-Datenerhebung praxistauglich zu machen, ist ein Betretungsrecht notwendig, um unmittelbar am Computer ansetzen zu können. Das hat eine Expertenanhörung im Bayerischen Landtag ganz klar ergeben.

Wenn sich Bundesjustizministerin Zypries dagegen ausspricht, geht es ihr in erster Linie darum, die Online-Datenerhebung durch das Bundeskriminalamt in der Praxis zu unterlaufen. Außerdem ist auch eine Online-Datenerhebung auch im Strafverfahren erforderlich. Es ist nicht hinnehmbar, dass sich die Bundesjustizministerin schlichtweg weigert, diese Sicherheitslücke in ihrem Verantwortungsbereich zu schließen. Terroristen nutzen immer mehr die Möglichkeiten des Internets und des Online-Datenaustausches. Die Sicherheitsbehörden dürfen dem technisch nicht hinterherhinken. So kam man im letzten Jahr erstmals einer Art "Online-Universität" auf die Spur. Diese terroristische Ausbildung z.B. mit Bombenbauanleitungen mittels Fernstudium ist eine ganz neue Entwicklung. Sie ergänzt oder ersetzt zunehmend Ausbildungslager in Afghanistan und Pakistan. Wir können es uns nicht leisten, dass im "Word Wide Web" ein Freiraum für Islamisten und Terroristen entsteht."

Herrmann bekräftigte, dass die Mehrheitsfraktion im Bayerischen Landtag die Online-Durchsuchung einschließlich Betretungsrecht der Wohnung in den nächsten Wochen endgültig beschließen werde.
(Deutsche Bundesregierung: ra)

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