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Preisverhandlungsstrategien abgestimmt


Kartellrecht: Kommission verhängt Geldbußen in Höhe von 157 Mio. EUR in Kartellvergleichsverfahren gegen Styrolabnehmer
Sechs Styrolabnehmer tauschten sensible Geschäftsinformationen aus und koordinierten ihre Verhandlungsstrategie in Bezug auf einen branchenspezifischen Referenzpreis für Styrol




Die Europäische Kommission hat gegen Sunpor, Synbra, Synthomer, Synthos und Trinseo Geldbußen in Höhe von insgesamt 157 Mio. EUR verhängt, weil sie an einem Einkaufskartell auf dem Handelsmarkt für Styrolmonomer beteiligt waren. Gegen INEOS wurde keine Geldbuße verhängt, da das Unternehmen die Kommission nach der Kronzeugenregelung von dem Kartell in Kenntnis gesetzt hatte. Alle sechs Unternehmen räumten ihre Kartellbeteiligung ein und stimmten einem Vergleich zu.

Die Zuwiderhandlung
Bei dem Produkt, das Gegenstand des Kartells ist, handelt es sich um Styrolmonomer ("Styrol"), ein chemisches Zwischenprodukt, das ein wichtiges Input für viele andere chemische Erzeugnisse wie Kunststoffe, Harze, Gummi und Latex ist.

Die sechs Styrolabnehmer tauschten sensible Geschäftsinformationen aus und koordinierten ihre Verhandlungsstrategie in Bezug auf einen branchenspezifischen Referenzpreis für Styrol (Styrene Monthly Contract Price – SMCP). Der SMCP wurde in der Branche häufig als Referenzpreis verwendet und war häufig Teil der Preisformel in Styrol-Lieferverträgen.

Anders als bei den meisten Kartellen, mit denen Unternehmen eine Erhöhung ihrer Verkaufspreise anstreben, stimmten die sechs Unternehmen ihr Verhalten ab, um ein Element des Styrolpreises zu senken. Insbesondere stimmten die Unternehmen ihre Preisverhandlungsstrategien vor und während der bilateralen SMCP-Verhandlungen mit Styrolverkäufern ab, um den SMCP zu ihrem Vorteil zu beeinflussen. Außerdem tauschten sie vor und während ihrer Verhandlungen mit Styrolverkäufern preisbezogene Informationen aus. Diese Praktiken sind nach den EU-Wettbewerbsvorschriften verboten, weil sie den Wettbewerb verzerren, der auf individuellen Entscheidungen der Marktteilnehmer beruhen sollte.

Die Untersuchung der Kommission bestätigte das Vorliegen einer einzigen, fortgesetzten Zuwiderhandlung im Europäischen Wirtschaftsraum, die sich auf den Zeitraum vom 1. Mai 2012 bis zum 30. Juni 2018 erstreckte.

Geldbußen
Die Geldbußen wurden auf der Grundlage der Leitlinien der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen aus dem Jahr 2006 festgesetzt.

Bei der Festsetzung der Geldbußen berücksichtigte die Kommission insbesondere den mit der Zuwiderhandlung im Zusammenhang stehenden Wert der Styroleinkäufe, die Art der Zuwiderhandlung, ihre geografische Reichweite und ihre Dauer.

Mit einer Ausnahme arbeiteten alle Parteien im Rahmen der Kronzeugenregelung (Kronzeugenregelung von 2006) mit der Kommission zusammen:

INEOS wurde die Geldbuße vollständig erlassen, da das Unternehmen die Kommission von dem Kartell in Kenntnis gesetzt hatte.
Die Geldbußen von Sunpor, Synthomer, Synthos und Trinseo wurden ermäßigt, um ihre Zusammenarbeit mit der Kommission bei der Untersuchung zu berücksichtigen. Die Höhe der Ermäßigung richtet sich danach, wann die Unternehmen ihre Zusammenarbeit angeboten haben und inwieweit die von ihnen vorgelegten Beweismittel zum Nachweis des Kartells beigetragen haben.
Darüber hinaus ermäßigte die Kommission die verhängten Geldbußen nach ihrer Mitteilung über Vergleichsverfahren aus dem Jahr 2008 um 10 Prozent, da die Unternehmen ihre Beteiligung an den Kartellen einräumten und die Verantwortung dafür übernahmen.

Gegen die einzelnen Unternehmen wurden folgende Geldbußen verhängt:

Bild: Europäische Kommission
Bild: Europäische Kommission


Hintergrund
Aufgrund der Volatilität der Styrolpreise verwendete die Industrie in Lieferverträgen oft einen sogenannten Monatskontraktpreis für Styrol (Styrene Monthly Contract Price – SMCP), der von dem Preis-Informationsdienst ICIS (Independent Commodity Intelligence Services) veröffentlicht wird.

Nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 53 des EWR-Abkommens sind Kartelle und andere wettbewerbswidrige Verhaltensweisen verboten.

Die Untersuchung der Kommission in dieser Sache begann im September 2017, nachdem INEOS auf der Grundlage der Kronzeugenregelung der Kommission von 2006 einen Antrag auf Geldbußenerlass gestellt hatte. Im Anschluss an Nachprüfungen im Juni 2018 stellten alle anderen Kartellmitglieder, mit Ausnahme von Synbra, Anträge auf Geldbußenermäßigung.

Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind, werden weitere Informationen zu diesem Kartellfall unter der Nummer AT.40547 im öffentlich zugänglichen Register der Kommission auf der Website der Generaldirektion Wettbewerb veröffentlicht.

Das Vergleichsverfahren
Mit dem Beschluss wird zum 40. Mal seit der Einführung dieses Verfahrens für Kartelle im Juni 2008 (siehe Pressemitteilung und MEMO) ein Vergleich geschlossen. Bei einem Kartellvergleich räumen die Parteien ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung ein und übernehmen die Verantwortung dafür. Sie akzeptieren auch den Höchstbetrag der Geldbuße, den die Kommission zu verhängen beabsichtigt. Dann kann die Kommission auf der Grundlage der Kartellverordnung 1/2003 ein einfacheres und kürzeres Verfahren anwenden. Außerdem können die Unternehmen schneller mit einem Beschluss rechnen und zahlen eine um 10 Prozent geringere Geldbuße.

Die Kronzeugenregelung
Die Kronzeugenregelung der Kommission gibt den Unternehmen die Möglichkeit, ihre Beteiligung an einem Kartell offenzulegen und während einer Untersuchung mit der Kommission zusammenzuarbeiten. Einem an einem Kartell beteiligten Unternehmen, das als Kronzeuge mit der Kommission zusammenarbeitet, kann eine potenziell hohe Geldbuße vollständig oder teilweise erlassen werden.

Die Kommission hat kürzlich ein Dokument mit häufig gestellten Fragen veröffentlicht, das potenziellen Kronzeugen Erläuterungen zu ihrer Kronzeugenpolitik und -praxis bereitstellt.

Instrument für Whistleblower
Die Kommission hat ein System eingerichtet, über das Einzelpersonen die Kommission leichter über wettbewerbswidriges Verhalten informieren können, ohne ihre Identität preiszugeben. Die Anonymität der Hinweisgeber (Whistleblower) wird durch ein ausgefeiltes System gewahrt, über das auf verschlüsseltem Wege Mitteilungen ausgetauscht werden können.

Schadensersatzklagen
Personen und Unternehmen, die von dem beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhalten betroffen sind, können vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadensersatz klagen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und der Verordnung 1/2003 des Rates sind Beschlüsse der Kommission ein bindender Nachweis dafür, dass das Verhalten stattgefunden hat und rechtswidrig war. Selbst wenn die Kommission gegen die Kartellbeteiligten Geldbußen verhängt hat, kann Schadensersatz zuerkannt werden. Die von der Kommission verhängte Geldbuße wird dabei nicht mindernd angerechnet.

Durch die EU-Richtlinie über Schadensersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen ist es für Opfer wettbewerbswidriger Verhaltensweisen inzwischen leichter, Schadensersatz zu erhalten.
(Europäische Kommission: ra)

eingetragen: 23.01.23
Newsletterlauf: 16.03.23


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