Politischer Willkür Tür und Tor geöffnet


Attac-Entscheidung gefährdet politische Arbeit kritischer NGOs
Transparency: "Der Gemeinnützigkeitsstatus darf nicht als politisches Druckmittel von Seiten politischer Parteien oder gar Ministerien genutzt werden, wie es im Moment sogar Staatssekretäre tun"



Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland e.V. wertet die Entscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) zur Gemeinnützigkeit von Attac als eine Gefährdung der politischen Arbeit kritischer NGOs in Deutschland. Das Urteil, das am 26. Februar 2019 bekanntgemacht wurde, öffnet das Tor zum Entzug der Gemeinnützigkeit für viele weitere zivilgesellschaftliche Vereinigungen, etwa die Deutsche Umwelthilfe oder Campact.

Mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit drohen der Verlust von Reputation in der Gesellschaft einerseits und der Wegfall notwendiger Finanzierungsmittel für die zivilgesellschaftliche Arbeit andererseits. "Entscheidend ist die politische Dimension des Urteils, das zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Einschränkung der zivilgesellschaftlichen Meinungsbildung in der Gesellschaft führen kann. Hier gilt es den Anfängen zu wehren. Der Gemeinnützigkeitsstatus darf nicht als politisches Druckmittel von Seiten politischer Parteien oder gar Ministerien genutzt werden, wie es im Moment sogar Staatssekretäre tun", so Hartmut Bäumer, Stellvertretender Vorsitzender von Transparency Deutschland.

Rahmen für politisches Engagement erheblich eingeschränkt
In erster Instanz hatte das Hessische Finanzgericht die Gemeinnützigkeit von Attac 2016 noch bestätigt. In der laut Medienberichten auf Druck des Bundesfinanzministeriums zustande gekommenen Revision hat der BFH in seinem letztinstanzlichen Urteil den Rahmen für politisches Engagement von gemeinnützigen Organisationen sehr viel enger gesteckt.

Dazu Hartmut Bäumer sagte: "Zu befürchten ist, dass in Zukunft vermehrt sich angegriffen fühlende politische Akteure versuchen, auf diese Weise unliebsame Kritik auszuschalten. Die Debatte um die Grenzen der Gemeinnützigkeit ist wichtig, aber mit einer derartigen Interpretation ist politischer Willkür Tür und Tor geöffnet."

Für den Bundesfinanzhof ist "die Beeinflussung des Staatswillens durch Einflussnahme auf die Beschlüsse von Parlament und Regierung" durch gemeinnützige Organisationen "nicht hinnehmbar". Der BFH verlangt, dass gemeinnützige Organisationen in "geistiger Offenheit" agieren müssten. Transparency Deutschland folgt in dieser Debatte jedoch der Auffassung des Hessischen Finanzgerichts, dass es in der Natur der Sache liege, "dass eine Aktion mit politischer Auswirkung sich regelmäßig gegen eine politische Richtung/Partei richtet und der Meinung der Gegenpartei, oft der Opposition, entspricht." Das Urteil des BFH bedeutet, dass in Zukunft auch anerkannte Organisationen, die eindeutig Stellung beziehen und auf politische Entscheidungen einwirken, auf politischen Druck hin ihren Gemeinnützigkeitsstatus verlieren können. (Transparency: ra)

eingetragen: 10.03.19
Newsletterlauf: 23.04.19

Transparency International: Kontakt und Steckbrief

Der Informationsanbieter hat seinen Kontakt leider noch nicht freigeschaltet.


Kostenloser Compliance-Newsletter
Ihr Compliance-Magazin.de-Newsletter hier >>>>>>


Meldungen: Kommentare und Meinungen

  • Hochkompetent, verantwortungsvoll, unabhängig

    Die Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD), eine seit über 40 Jahren aktive Bürgerrechtsorganisation, hat mit größtem Befremden zur Kenntnis genommen, dass die Bundesregierung bis heute immer noch keine Verlängerung der Amtszeit des amtierenden Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) Ulrich Kelber in Aussicht gestellt hat.

  • VdK-Präsidentin: "Riester-Rente ist gescheitert"

    Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Sparkassen-Klausel zu Riester-Abschlusskosten für unwirksam erklärt. Die Bank hatte Sparerinnen und Sparer nicht über alle Kosten des Riester-Vertrags informiert und dann zu Beginn der Auszahlphase einen Nachschlag verlangt.

  • Gesetzliche Verpflichtung zu Barrierefreiheit

    Zur Anhörung zur Antidiskriminierungsstelle des Bundes und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erklärt VdK-Präsidentin Verena Bentele: "Gerne erinnere ich das Bundesjustizministerium (BMJ) an den gemeinsamen Plan im Koalitionsvertrag, das Allgemeine Gleichstellungsgesetz umfassend zu novellieren. Hier müssen endlich klare gesetzliche Regelungen geschaffen werden, die privaten Anbieter von Gütern und Dienstleistungen zur Barrierefreiheit verpflichten. Trotz Absichtserklärungen und Ankündigungen hat das für das AGG zuständige Bundesjustizministerium bisher nichts vorgelegt."

  • Gesammelte Kommentare zur US "AI Executive Order"

    Am 30. Oktober 2023 hat US-Präsident Joe Biden die "AI Executive Order" erlassen. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse der Verordnung auf einen Blick.

  • Regulierung von Foundation Models

    Zur Debatte über eine mögliche Verzögerung beim EU AI Act, mit dem die Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz in Europa reguliert werden soll, erklärt Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst: "Der AI Act ist die wohl wichtigste Entscheidung, die Europäisches Parlament und Kommission derzeit auf der Agenda haben."

Wir verwenden Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf "Alle akzeptieren" erklären Sie sich damit einverstanden. Erweiterte Einstellungen