Telekommunikationsüberwachung wird gebündelt


Telekommunikationsüberwachungstechnik: Konzentration von Telekommunikationsüberwachung beim Bundesverwaltungsamt
Umstrukturierung ist als Reaktion auf die rasche Fortentwicklung der Telekommunikationstechnik gedacht

(09.01.08) - Das Bundesinnenministerium prüft derzeit, die Telekommunikationsüberwachungstechnik des Bundesamtes für Verfassungsschutz, des Bundeskriminalamtes und der Bundespolizei im Bundesverwaltungsamt zusammenzuführen. Das schreibt die Bundesregierung in der Antwort (16/7436) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (16/7254). Die jeweiligen gesetzlichen Befugnisse und Zuständigkeiten der betroffenen Behörden blieben davon jedoch unberührt, da lediglich die Zusammenführung der Technik geprüft werde, so die Regierung.

Vorbemerkung der Fragesteller
Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble (CDU), plant laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Focus" offenbar eine Neuordnung bei staatlichen Abhöraktionen. So sollen laut Bericht vom 12. November 2007 Abhörmaßnahmen gegen mutmaßliche Terroristen, Spione oder Waffenschieber künftig im Kölner Bundesverwaltungsamt (BVA Köln) zentral gesteuert werden. Demnach müssen das Bundeskriminalamt (BKA), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und die Bundespolizei (BPOL), die bislang in eigener Regie Telefone, Faxe oder E-Mails kontrollierten, ihre Zuständigkeiten an das Bundesverwaltungsamt abtreten oder zusammenlegen. Der Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, so heißt es weiter, erhofft sich durch die Neuregelung eine Senkung der Kosten.

1. Treffen die Berichte des Nachrichtenmagazins Focus zu, und wenn ja, wie nimmt die Bundesregierung hierzu Stellung?
Es trifft zu, dass das Bundesinnenministerium derzeit prüft, die Telekommunikationsüberwachungstechnik (TKÜ-Technik) von Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), Bundeskriminalamt (BKA) und Bundespolizei (BPOL) im Bundesverwaltungsamt (BVA) technisch zusammenzuführen. Die jeweiligen gesetzlichen Befugnisse und Zuständigkeiten der betroffenen Behörden bleiben davon jedoch unberührt. Gegenstand der Prüfung ist lediglich eine Zusammenfassung der Technik. Das BVA würde hierbei als reiner IT-Dienstleister auftreten. In diesem Modell wird jede der genannten Behörden auch zukünftig ihre TKÜ-Maßnahmen in eigener Verantwortung und nach den geltenden Befugnisnormen durchführen und dazu auf eine gemeinsame TKÜ-Anlagen-Technik zurückgreifen. Die behördenspezifische Trennung der aus einer Überwachungsmaßnahme gewonnenen Daten würde für jede einzelne Maßnahme durch technische Gegebenheiten sichergestellt.

2. Seit welchem Zeitpunkt wird im Bundesministerium des Innern (BMI) an den Plänen zur Konzentration von Abhörmaßnahmen durch das Bundesverwaltungsamt gearbeitet?
Mit der konkreten Prüfung wurde Mitte 2007 begonnen.

3. Sind die davon betroffenen Sicherheitsbehörden (BKA, Bundesverfassungsschutz, Bundespolizei) in die Vorbereitungen einbezogen?
Ja.
a) Wenn ja, seit welchem Zeitpunkt?
Seit Beginn der Prüfung.
b) Wenn ja, in welchem Umfang?
Die Einbeziehung erfolgte umfassend.
c) Wenn nein, w1arum nicht?
Entfällt.

4. Wann wird das Bundesministerium des Innern die Mitglieder des Bundestages, respektive die Mitglieder des zuständigen Innenausschusses über die Pläne des Ministeriums informieren?
Es handelt sich hier um eine interne Organisationsmaßnahme des BMI im Rahmen seiner exekutiven Verantwortung.

5. Wodurch lassen sich die oben genannten Umstrukturierungen – neben finanziellen Erwägungen – begründen?
Die Umstrukturierung ist als Reaktion auf die rasche Fortentwicklung der Telekommunikationstechnik gedacht. Durch die Bündelung wären z. B. Anpassungen der TKÜ-Technik, die aufgrund fortschreitender TK-Technik regelmäßig notwendig sind, nur an einer Stelle vorzunehmen. Planungs- und Beschaffungsvorgänge könnten somit gestrafft werden.
a) Wie hoch ist die zu erwartende Kostenersparnis?
Eine konkrete Aussage zum Volumen der Kostenersparnis ist derzeit nicht möglich.
b) Welche Kosten würden konkret eingespart werden?
Auf die Antwort zu Frage 5 a) wird verwiesen.

6. Was qualifiziert das Bundesverwaltungsamt für die Übernahme der Aufgaben der anderen Sicherheitsbehörden?
Im BVA ist mit der Bundesstelle für Informationstechnik (BIT) ein zentraler IT-Dienstleister für BMI und seinen Geschäftsbereich eingerichtet worden. Da es sich bei TKÜ-Anlagen zunehmend um Standard-IT-Systeme handelt, auf denen lediglich eine spezifische Software für die TKÜ eingesetzt wird, bietet sich ein zentraler und fachlich kompetenter IT-Dienstleister für den Betrieb der Anlage an.
a) Was bedeutet eine Übernahme der Abhöraktivitäten durch das Bundesverwaltungsamt für die Personalstruktur der betroffenen Dienste?
Hierzu kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine konkrete Aussage getroffen werden.
b) Wird Personal von BKA, Bundesverfassungsschutz und Bundespolizei zukünftig im Bundesverwaltungsamt eingesetzt, oder geht es bei der Übergabe von Kompetenzen an das Bundesverwaltungsamt ausschließlich um technische und nicht personelle Konzentrationen?
Auf die Antwort zu Frage 6 a) wird verwiesen.

7. Inwiefern erhöht sich durch die Konzentration der Abhörmaßnahmen beim Bundesverwaltungsamt die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland und von in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Drittstaatenangehörigen?
Kapazitätsengpässe, wie sie beispielsweise im Zusammenhang mit dem Ermittlungskomplex um den am 4. September 2007 vereitelten Anschlagsplan der Islamischen Djihad Union festgestellt wurden, können zu Ermittlungslücken führen, wenn relevante Kommunikation nicht überwacht werden kann. Eine weitgehende Vermeidung von Kapazitätsengpässen erhöht somit die Sicherheit in Deutschland.

8. Wie sollen die Abhörmaßnahmen im Bundesverwaltungsamt konzentriert werden?
Auf die Antwort zu Frage 6. wird verwiesen.
a) Ist geplant, dass die Sicherheitsbehörden ihre Kompetenzen im Bereich Abhörtätigkeiten vollständig abgeben?
Nein.
b) Ist geplant, dass die angesprochenen Sicherheitsbehörden organisatorisch und räumlich vereint im Bundesverwaltungsamt ihr Abhörmaßnahmen zukünftig durchführen?
Nein.
c) Welche Auswirkungen hat die Konzentration von Abhörmaßnahmen beim Bundesverwaltungsamt nach Ansicht der Bundesregierung auf das Trennungsgebot von Polizeibehörden und Geheimdiensten?
Keine.
d) Ist geplant, dass weitere Sicherheitsbehörden, wie beispielsweise der Militärische Abschirmdienst (MAD), ebenfalls ihre Kompetenzen in diesem Bereich an das Bundesverwaltungsamt ab- bzw. übergeben?
Die Technik im TKÜ-Servicezentrum beim BVA soll so gestaltet werden, dass diese auf Wunsch auch von anderen Bedarfsträgern genutzt werden kann.
e) Bedeutet "Konzentration", dass das Bundesverwaltungsamt an der Durchführung der jeweiligen Abhörmaßnahmen und ihrer Beantragung direkt beteiligt ist, oder bedeutet es, dass lediglich die Eingriffe und die Protokolle der Abhörmaßnahmen beim Bundesverwaltungsamt gespeichert und evaluiert werden?
Das BVA betreibt die TKÜ-Technik. Die Beantragung und Durchführung der Maßnahmen ebenso wie die Nutzung der Technik obliegt weiterhin den gesetzlich hierzu ermächtigten Sicherheitsbehörden.

9. Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen nach Ansicht der Bundesregierung geschaffen werden, um die Konzentration von zukünftigen Abhörmaßnahmen durch das Bundesverwaltungsamt zu ermöglichen?
Mit Ausnahme einer gegebenenfalls notwendigen Präzisierung der Technischen Richtlinie TKÜ sind nach derzeitigem Stand keine weiteren rechtlichen Voraussetzungen erforderlich.

10. Hat die Bundesregierung eine Grundrechts- und Folgeabschätzung bezüglich ihrer Überlegungen zur Konzentration von Abhörmaßnahmen durchgeführt?
Da im Rahmen der zu prüfenden rein organisatorisch-technischen Maßnahme keine grundrechtsrelevanten Eingriffe zu erkennen sind, erübrigt sich eine Grundrechtsfolgenabschätzung. Ebenso verhält es sich mit einer Gesetzesfolgenabschätzung.
Zu Folgen in personeller und finanzieller Hinsicht wird auf die Antworten zu den Fragen 5. und 6. verwiesen.
a) Wenn ja, wann werden die Ergebnisse dieser Evaluierung den Mitgliedern des Bundestages zur Kenntnis gegeben?
b) Wenn nein, warum nicht, und ist eine solche Evaluierung und Abschätzung durch die Bundesregierung geplant?
c) Wurde der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, über die Pläne des Bundesministeriums des Innern informiert, und wenn ja, welche Stellungnahme hat er hierzu abgeben?
Auf die Antwort zu Frage 4. wird verwiesen.

11. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der aktuellen Planungen zur Konzentration von Abhöraktionen, die (sicherheits-)politische Notwendigkeit der Fortführung der Programme des Programms zur Stärkung der inneren Sicherheit (PSiS)?
Das Programm PSIS berührt die hier angesprochenen Fragen der angedachten Bündelung der Telekommunikationsüberwachungstechnik nicht.

12. Ist mit "Konzentration von Abhörmaßnahmen" der gesamte Bereich oder Telekommunikationsüberwachung gemeint, oder nur einzelne Bereiche?
Wenn ja, welche?
Von der geplanten Konzeption ist lediglich eine Bündelung derjenigen technischen Einrichtungen umfasst, die bereits heute der Wahrnehmung der Befugnisse zur Telekommunikationsüberwachung (Inhalte und Verkehrsdaten) nach der StPO für die Strafverfolgung und dem G 10-Gesetz für das Bundesamt für Verfassungsschutz dienen.
(Deutsche Bundesregierung: ra)


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